Den Selbstporträts gehen meist lange Bildrecherchen und performative Handlungen voraus
(Kostüme auswählen, Gesten finden, Selfies machen) – eine Methode, die sich in die
Arbeiten mit einschreibt und ihnen etwas Prozesshaftes verleiht. Fragen nach Identität und
Geschlechterrollen sind ein wichtiges Moment, ebenso die kritische Auseinandersetzung mit
den Macht- und Herrschaftsansprüchen der Malerei und ihren historischen Ausschlüssen
von Künstlerinnen. Die Begegnung mit der feministischen Kunst der 1970er Jahre und den
Vertreterinnen der Appropriation Art war hierfür sicherlich prägend. Aber auch Überlegungen
zur Doppelrolle von Autorin/Künstlerin und Protagonistin/Modell, wie sie die literarische
Autofiktion anstellt, berührt sich mit den Arbeiten.
Ausgangspunkt der Selbstporträts ist das Bilderrepertoire der Mode sowie kunsthistorische
Vorlagen aus verschiedenen Epochen wie Renaissance, Barock und Expressionismus.
Ausdrucksweisen maskuliner bzw. repräsentativer Selbstdarstellung werden von meiner
Person angeeignet und mit anderen Themen (Erschöpfung, Altern) sowie Formen des
Berührt-Seins (Sensibilität, Intimität, aber auch Komik) neu besetzt. Die Neukodierung geht
dabei auch aus der malerischen Technik selbst hervor.
Das Einsickern der Farbe in den nassen Stoff weckt Analogien zu Körperflüssigkeiten und
führt zu proportionalen Verzerrungen. In den aktuellen Arbeiten wird die Disproportion auch
bewusst gesetzt und als „comic relief“-Effekt aktiviert. Kontrolle und Zufall, Realismus und
Verfremdung, Figuration und Ungegenständlichkeit, ausformuliertes Detail und fluide
Entgrenzung stehen in meiner malerischen Praxis im ständigen Spannungsverhältnis.
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